Ätherische Öle – wie sie entstehen, was sie beinhalten und warum ein solides Fachwissen in der Anwendung wichtig ist

Die Aromatherapie ist ein Teilbereich der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), in der mit den Duftstoffen der Pflanze, den ätherischen Ölen, gearbeitet wird. Sie ist eine Komplementärmedizin und versteht sich als Ergänzung zu anderen Therapieformen. Sie ersetzt keinen Besuch beim Arzt oder Heilpraktiker.

Der Begriff «Aromatherapie» ist zwar erst knapp 100 Jahre alt, die Therapieform wurde jedoch nachweislich schon vor Jahrtausenden gepflegt. Bereits in der Steinzeit wurden Harze und Hölzer zur Huldigung der Götter verwendet.


Räucherungen mit getrockneten Gräsern, Früchten, Holz und Harzen sowie duftende Salben aus Blüten und Kräuterkerzen wurden in vielen Kulturen und Epochen von Priestern und weisen Frauen hergestellt. Die Ägypter kannten bereits Destillationsverfahren und stellten ätherische Öle her.
Im 16. Jahrhundert brachte Paracelsus die Wirkung ätherischer Öle erstmals mit einzelnen Inhaltsstoffen in Verbindung.

Es gibt weltweit über 300’000 Pflanzenarten, nur gerade 2300 davon bilden ätherische Öle. Die meisten Duftpflanzen enthalten lediglich ein bis zwei Prozent ätherische Öle, viele noch um einiges weniger (bis zu solch niedrigen Konzentrationen, dass sich die kommerzielle Verwertung nicht mehr lohnt). Hieran sieht man schon, wie wertvoll und kostbar die pflanzlichen Essenzen sind und dass es sich lohnt, achtsam mit ihnen umzugehen.

Ätherische Öle werden von der Pflanze in speziellen Öldrüsen gebildet. Diese befinden sich, je nach Pflanzenart, an Blättern, Blüten, Samen, Fruchtschalen und Wurzeln, aber auch in den Harzen, Rinden oder im Holz. So werden dann auch unterschiedliche Pflanzenteile benötigt, um ein ätherisches Öl herzustellen.
Von der Zitronenmelisse benötigen wir 7000kg Kraut, um 1kg ätherisches Öl herzustellen
ca. 4000kg Rosenblüten ergeben 1kg ätherisches Rosenöl,
aus 200kg Orangenschalen pressen wir ebenfalls 1kg ätherisches Öl heraus.
120kg Lavendelblüten ergeben bei der Wasserdampfdestillation 1kg ätherisches Lavendelöl

Die Pflanze bildet die ätherischen Öle zu unterschiedlichen Zwecken:

1. Sie locken mit ihrem Duft Insekten und Schmetterlinge zur Bestäubung an
2. Durch die keimtötenden Eigenschaften der ätherischen Öle können Krankheiten
abgewendet werden
3. Bei manchen Pflanzen dienen sie als Kommunikationsmittel
4. Pflanzen schützen durch ätherische Öle ihr Revier, sie erschweren es anderen Pflanzen,
sich in ihrer Nähe anzusiedeln
5. Sie dienen als Schutz vor zu viel UV-Strahlung oder Wasserverdunstung; ein gasförmiger
Schutzschleier legt sich um ihre Blätter oder Nadeln
6. Sie schützen sich vor Frassfeinden

Ätherische Öle sind leicht flüchtige (daher kommt auch der Ausdruck «ätherisch» – Ether), fettlösliche (obschon sie keine Fette enthalten und auf Papier keinen Fettfleck hinterlassen), organische Stoffgemische.

Pharmakologisch betrachtet sind ätherische Öle Vielstoffgemische. Rosenöl enthält beispielsweise bis zu 400 verschiedene Moleküle. Dies erklärt auch, warum dieser komplexe Duft synthetisch nur annähernd nachgebaut werden kann und oft etwas flach oder seifig riecht.

Ätherische Öle bestehen aus einer grossen Anzahl verschiedener Inhaltsstoffe. Für einige davon gibt es bereits wissenschaftlich begründete Einsatzgebiete. Die Vielseitigkeit der pflanzlichen Essenzen erschliesst sich jedoch aus dem Zusammenspiel der einzelnen Inhaltsstoffe. Eigenschaften ätherischer Öle lassen sich nicht nur aus den Einzelstoffen ableiten. Starke synergetische Effekte machen jedes Öl zu etwas Eigenständigem.

Chemisch gesehen besteht der grösste Teil der Wirkstoffe aus Terpenen. Terpene sind Kohlenwasserstoffverbindungen. (C-Atome verbinden sich mit H-Atomen)

Monoterpene bestehen aus 10 Kohlenstoffatomen (C-Atome). Sie sind sehr kleine Moleküle und leicht flüchtig. Sie dringen besonders rasch in die Haut ein. Sie können problemlos durch Wasserdampfdestillation gewonnen werden und kommen dementsprechend in sehr vielen unserer ätherischen Öle und oft auch in grösseren Mengen darin vor. Je nach Anordnung der C- und H-Atome ergeben sich andere Eigenschaften, spezifische Duftcharaktere und andere Einsatzgebiete.

Bei Ölen mit einem hohen Monoterpengehalt ist es besonders wichtig, auf eine gute Lagerung zu achten. Sauerstoff, Licht und Wärme setzen ihnen schnell zu und lassen sie oxidieren. Die so entstehenden Abbauprodukte können zu Hautreizungen führen. Deshalb benutzen wir Zitrusöle, wie Orange und Grapefruit nur sehr frisch auf der Haut und nie unverdünnt. Wenn die Flasche schon ein paar Monate offen ist, kommt das Öl noch als Raumduft zum Einsatz.
Ätherische Öle mit einem hohen Monoterpengehalt wirken schmerzstillend, entzündungshemmend, erwärmend und anregend. Sie beeinflussen das vegetative Nervensystem positiv und wirken modulierend auf die Nebennierentätigkeit, so erklärt sich deren Cortison ähnliche Wirkung. Monoterpene wirken antibakteriell und antiviral und stärken unser Immunsystem. Gerne nutzen wir sie in Raumsprays während der kühleren Jahreszeit.
Auf der psychischen Ebene wirken ätherische Öle mit hohem Monoterpengehalt konzentrationsfördernd, geistig stimulierend und mild angstlösend.

Monoterpene kommen in hohen Konzentrationen in den bereits oben erwähnten Zitrusdüften (Orange, Zitrone, Limette, Grapefruit, Bergamotte) und in Nadelholz-Ölen (Rotfichte, Weisstanne, Kiefer, Zypresse, Zeder, Douglasie) vor.

Sesquiterpene haben 5 C-Atome und die entsprechenden H-Atome mehr als Monoterpene und sind dementsprechend grösser, reaktionsträger und weniger leicht flüchtig. Dies bedeutet auch, dass sie nicht ganz so leicht aus der Pflanze zu destillieren sind. Oft kommen sie in kleineren Konzentrationen oder nur in Spuren in unseren ätherischen Ölen vor.
Sie sind im Gegensatz zu den Monoterpenen überaus hautfreundlich und wahre Seelentröster. Ätherische Öle mit hohem Sesquiterpengehalt gehören in jede Hautcrème. Sie beruhigen und pflegen auch empfindliche, irritierte, gerötete oder zu Allergien neigende Haut. Einige Sesquiterpene können regulierend auf die Histaminausschüttung einwirken und so bei Heuschnupfen eine Erleichterung verschaffen.
Sesquiterpene geben unserer Psyche Kraft, Stärke und Selbstvertrauen. Sie regulieren verschiedene Hormone und Botenstoffe in unserem Gehirn und Körper und sind Spezialisten für psychosomatische Beschwerden.
Sie kommen in hohen Konzentrationen zum Beispiel im ätherischen Öl von Ingwer, Zeder, Kamille blau und Melisse vor.

Die Kohlenstoffatome können weitere Bindungen eingehen. Wenn an ein C-Atom anstelle eines Wasserstoffatomes z.B. ein Sauerstoffatom andockt, ergeben sich weitere Wirkstoffgruppen:

Name Wirkstoffgruppe:Wirkung, Einsatzgebiet:Beispiele äth. Öle:
   
Terpenole
Monoterpen- und Sesquiterpen- Alkohole)
Sehr hautfreundlich und -pflegend, immunstimulierend, wirken auf das Hormonsystem, fördern das seelische GleichgewichtLavendel fein Rosengeranie Thymian linalool Karottensamen Patchouli  
Aldehyde
(Kommen fast ausschliesslich als Monoterpen-Aldehyde vor)
Zitronenartiger Duft Licht- und Luftempfindlich schmerzstillend, entzündungshemmend, antiviral, antibakteriell und antimykotisch Kreislaufanregend  Eucalyptus citriodora Lemongrass Litsea Zitronenmelisse
Ketone
Monoterpen- und Sesquiterpen- Ketone  
Unterstützend bei Vernarbungsprozess und Wundheilung, Schleimverflüssigend auf Atemwege Spasmolytische (entkrampfende) Wirkung  Nanaminze Pfefferminze
Rosmarin CT Kampfer
Iris
Zeder  
Oxide
(Kommen fast ausschliesslich als Monoterpen-Oxide vor, Wichtigster Vertreter dieser Gruppe ist das 1.8Cineol)
Reinigungs- und Abtransportfunktion für die oberen Atemwege, entzündungshemmend auf Schleimhaut und Bronchien Wecken die Lebensgeister, geistig anregend  Cajeput
Eucalyptus radiata Ravintsara Niaouli
Lorbeer
Rosmarin cineol
Ester
(Monoterpen- und Sesquiterpen-Ester)
Ganzheitlich entspannend, schlaffördernd, hormonmodulierend und-regulierend entkrampfend, ausgleichend regulierend auf Serotoninspiegel  Bergamotte Fichte sibirisch, rot Muskatellersalbei  

Die winzigen Moleküle der duften Helferchen gelangen über den Geruchssinn direkt in den ältesten Teil unseres Gehirns, limbisches System genannt. In diesem Hirnareal werden Gefühle, Emotionen, Instinkte und Triebe verarbeitet. So wirken wir mit ätherischen Ölen auf unsere Psyche und unser seelisches Wohlbefinden ein.

Die ätherischen Öle werden aber auch direkt über die Haut aufgenommen. Bereits 15-20 Minuten nach einer Einreibung werden die einzelnen Moleküle im Blut nachgewiesen. Dort können sie auf unterschiedliche Weise unser Wohlbefinden steigern. Einige Inhaltsstoffe wirken beruhigend, andere anregend, viele schmerzstillend oder muskelentspannend, sie können komplizierte Vorgänge wie unser Immunsystem oder die Hormone beeinflussen.